Der VfL Wolfsburg kommt immer besser in Fahrt. Im Sommer wurden mit dem neuen Cheftrainer Paul Simonis und einem völligen Kaderumbau offenbar die richtigen Weichen gestellt. Einem noch nicht ganz runden 3:1 Auftaktsieg bei Abstiegskandidat Heidenheim, folgten ein souveränes 2:0 gegen müde Mainzer-Europapokalkicker und im Heimspiel zum 80. Geburtstag des Clubs das so herbeigesehnte Geschenk mit einem 3:1 gegen den Aufsteiger 1. FC Köln. Seitdem ist so etwas wie eine kleine Euphorie an der Aller zu spüren, weil wahrscheinlich nicht alle damit gerechnet hatten, dass der VfL die neue Spielweise des jungen Coaches aus den Niederlanden so schnell verinnerlichen würde. Nach einem mutigen Auftritt und einem erkämpften 1:1 in Dortmund, folgte ein spektakuläres 2:2 gegen Leipzig zuhause, welches noch mal offenbarte, das in Wolfsburg die Bäume nicht in den Himmel wachsen. Doch nach dem jetzt erzielten dreckigen 1:0 in Augsburg, wo die Mannschaft auch mit Star-Neuzugang Eriksen, der den Siegtreffer vorbereitete, enormen Kampfgeist zeigte, kann man in Wolfsburg schon mal langsam das Träumen anfangen. Schon früh in der Saison kann Kurs auf die avisierten Europapokal-Plätze genommen werden – schließlich ist man immer noch ungeschlagen und steht mit 14 Punkten im Moment sogar auf einem Champions League-Platz…
„Hoffnung ist das schlimmste Übel, denn sie verlängert die Qual des Menschen“ – Friedrich Nietzsche. Oder eben die Qual eines VfL-Fans. Wer hat nicht insgeheim tatsächlich diese Hoffnung vom Anfang ein klein bisschen in sich getragen? Jetzt aber. Jetzt geht es los. Die Anzeichen machen doch Mut. Kommt lasst uns ein bisschen optimistisch sein. Warum sollte das nicht auch mal bei uns funktionieren, was andere Clubs uns vormachen seit Jahren? Auch mal die Überraschung sein. Nicht immer nur der ausgelachte Gernegroß, den alle so gern verarschen. Von Wums bis Fums, von Sky bis Dazn von 11Feinde bis zur Sportbild. Warum nicht auch mal Mainz sein? Oder Freiburg? Oder Union? Oder ein bisschen Leipzig, Stuttgart oder Leverkusen? Vielleicht sogar etwas Frankfurt…
Spätestens seit diesem Wochenende kann man wahrscheinlich bei den meisten konstatieren: Aus der Hoffnungslandschaft vom Sommer, ist eine Trümmerwüste geworden. Es wäre jetzt ein Leichtes, mal wieder draufzuhauen. Absteiger. Relegationskandidat. Alle rausschmeißen. Trainer doof. Manager doof. Volkswagen doof. Alle doof. Und wahrscheinlich, wenn es so weitergeht, wird es genauso kommen. Also kommen, wie immer. Dann isses halt der 12. Trainer in 11 Jahren. Macht doch gleich den 13. draus. So auf Vorrat. Und installiert die sportlichen Verantwortlichen auch gleich neu. Diese Moves waren brillant in den vergangenen Jahren. Und haben uns genau den oben beschriebenen Erfolg gebracht. Nicht. Aber wisst ihr was? Macht doch, was ihr wollt! Schreibt und schreit alles nieder. Wisst es wie immer besser. Übrigens ein Phänomen, dass ich in Wolfsburg nicht nur beim VfL beobachte. Dieses Dauergemeckere über die Stadt oder Volkswagen geht mir in ähnlicher Weise massiv auf den Sack. Es ist auch einfacher, sich über alles zu beschweren, was einem alles fehlt oder fehlen könnte, statt auch mal realistisch darauf zu schauen, was man hat. Und das ist in Wolfsburg gar nicht so wenig, wenn man auch mal über den Tellerrand schaut. Oder die Leistungsbereitschaft an den Tag zu legen, um etwas zu verbessern oder dazu beizutragen. Nur scheint der Wille dazu aktuell genauso wenig verbreitet zu sein, wie auf dem Platz. Aber: Macht doch, was ihr wollt!
Lurch und Wackelpudding
Mittlerweile fällt mir außer so einer Floskel auch nichts mehr ein. Dabei will ich – zurück zum VfL- noch nicht mal absprechen, dass sportlich Verantwortliche, das Trainerteam oder sogar die Mannschaft gern gewinnen möchten. Wer verliert denn schon gern? Was ich aber – insbesondere der Mannschaft – aktuell abspreche, ist: alles dafür zu tun, um gewinnen zu können. Aber auch hier bin ich es eigentlich leid, in schöner Regelmäßigkeit dasselbe zu schreiben. Wer tatsächlich der Meinung ist, auf dem Platz zu stehen wie in Augsburg, und die Aggressivität eines grünen Wackelpuddings und den Siegeswillen eines plattgefahrenen Lurchs an den Tag zu legen, dem ist wirklich nicht zu helfen. Da ich das aber nicht ändern kann: Macht doch, was ihr wollt! Aber erwartet nicht noch Verständnis oder bedient ebenso beliebte Floskeln, wie den Wunsch nach Zusammenhalt, Support oder „weiter hart arbeiten“. Sorry, wenn ich einen Taler für jedes Mal solcher VfL-Aussagen in den vergangenen Jahren bekommen hätte, dann wäre ich jetzt Elon Musk. Vom Vermögen her, versteht sich. Nicht falsch verstehen: ich habe keine 14 Punkte erwartet, geschweige denn eine Siegesserie oder dass gleich ein neues Spielsystem funktioniert. Aber vielleicht fangt ihr erst mal bei euch mit Zusammenhalt und gegenseitigem Support in dem Moment an, wo das Spiel angepfiffen wird. Etwas mehr Konzentration wäre auch schon mal okay…
Was ich richtig schade finde: ich glaube tatsächlich, dass der Trainer alles versucht, um eine Lösung für die Misere zu finden und genau jetzt irgendwo sitzt und sich das Hirn zermartert, wie es besser wird. Interessant ist, dass wir eine ähnlich Situation schon mal mit einem gewissen Trainer aus Österreich hatten. Damals zu Beginn hakte auch einiges, bis die Spieler den Fußball kapierten, für den man nicht unbedingt „Abiturient“ sein müsse, wie der Spruch vom Trainer damals lautete. Der Unterschied zu damals: es wurde kontinuierlich gepunktet… Und deswegen muss man aktuell auch hier konstatieren: Ja, eine Entwicklung braucht Zeit und auch ein bisschen Geduld, die nicht nach sechs Spielen vorbei sein kann. Das wäre Augenwischerei. Aber zwei Dinge darf eine Entwicklung nicht haben, wenn sie eine Chance haben soll: Hauptsächlich Rückschritte wie an der Perlenschnur sowie das Vermissen lassen von Basics. Wenn ich sehe, dass Augsburg nicht so spielt wie erwartet, dann muss ich sofort eingreifen. Wenn ich noch mal Akzente bei Rückstand setzen will, dann sollte ich das nicht in der Nachspielzeit tun oder das Wechselkontingent gar nicht ausschöpfen. Wenn mir Einsatzwille und Aggressivität fehlen, muss ich die Leute auf den Platz schicken, die mir das bestmöglich garantieren, gleiches gilt für das passende System. Insbesondere bei den Basics Einsatzwille und Aggressivität geht es eben nicht darum, Geduld für eine neue Spielidee zu haben.
Sack und Gasse
Ich glaube auch, dass Peter Christiansen und auch Sebastian Schindzielorz über alle Ebenen dringend nötige Veränderungen im Verein vornehmen wollen, eine VfL-Philosophie entwickeln und sich dafür ebenfalls komplett einsetzen. Was mir aber fehlt, ist der leidenschaftliche Einsatz dafür – vor allem in der Öffentlichkeit. Vor allem wenn es nicht läuft. Wo sollen Selbstbewusstsein, Leidenschaft und Angriffslustigkeit denn herkommen oder sich an die vermitteln, die man außerhalb und auf dem Platz begeistern oder mitnehmen möchte, wenn man es nicht offensiv nach außen trägt? Hier wünsche ich mir nicht nur mehr, hier erwartete ich mir in den kommenden Wochen auch mehr. Die wichtigste Aufgabe ist jetzt zu vermitteln, warum der eingeschlagene Weg keine Sackgasse ist. Die kommenden Wochen und vor allem das Spiel gegen Stuttgart nach der Länderspielpause kann nur geprägt sein von einem Wort: Leistungsbereitschaft. Ich will diese Bereitschaft sehen. Punkt. Augsburg hat es vorgemacht. Die standen mit dem Rücken schon durch die Wand und sind raus mit der Einstellung: heute zeigen wir es allen! Aber da ich diese Leistungsbereitschaft nicht herbei schreiben kann: Macht doch, was ihr wollt!
Es ist ja nicht so, dass dieses Thema irgendwie neu ist. Nicht nur gefühlt reden wir hier seit Jahren über dasselbe: Es werden große Ziele und Reden geschwungen, was man alles will, könnte oder sollte. Es wird von toller Infrastruktur und besten Arbeitsbedingungen geschwafelt – nur um Ende die Leistungsbereitschaft vermissen zu lassen, die dafür nötig ist. Und das Ganze hat noch nicht mal Konsequenzen. Selbst bei eingeforderter und umgesetzter Personalrochade schlagen wir einfach nur das nächste Kapitel des Selbstbetrugs auf. Die Köpfe auf Platz, Bank und Tribüne verändern sich, das Ergebnis ist dasselbe. Am Ende scheint das Schicksal des VfL das Nachjagen von Träumen zu sein, das man durch – überraschende – sportliche Erfolge der Vergangenheit als nostalgisches Fundament gelegt hat. Kombiniert mit einer überzogenen Erwartungshaltung im Umfeld einerseits sowie in der wechselnden Konstellation bei mangelnder Kontinuität und Qualität überzogen wirkender Zielsetzung andererseits, kommt es in schöner Regelmäßigkeit zu einem Ergebnis, das im besten Fall heißt: Mittelmäßigkeit. Wenn man sich allein die Ergebnisse des Jahres 2025 anschaut, reden wir aber eigentlich schon von einer Etage unter der Mittelmäßigkeit. Wenn alle der Meinung sind, dass kann ruhig so sein, dann: Macht doch, was ihr wollt!
Realistischer ist, dass wir uns in Wolfsburg mit mehreren unbequemen Wahrheiten anfreunden sollten: 1. Es ist ein Geschenk, dass wir in der Bundesliga spielen DÜRFEN. Kein Verdienst, kein Anspruch, eher ein Privileg. Dieses Geschenk müssen wir realistisch einschätzen und eigentlich jede Woche demütig mit einem Dank versehen. Wir sind kein Big Player. Wir dürfen mitspielen. Das war’s. 2. Höhere Ziele sind Utopie und allenfalls Ausdruck naiver Hoffnung. Offenbar ist niemand bereit, egal in welcher Personalkonstellation auf und neben dem Platz, diese Ziele glaubwürdig zu untermauern. Wahrscheinlicher sind also eher Ausreißer nach unten als Überraschungen nach oben. 3. Möglichkeiten sind nur Möglichkeiten. Es mutet schon paradox an, wie beständig wenig der VfL Wolfsburg in seinen fast 30 Jahren Bundesligazugehörigkeit aus diesen Möglichkeiten gemacht hat, von denen immer alle sprechen. Entsprechend sollten wir uns freuen, wenn es mal besser läuft, aber keine Erwartungen daran knüpfen, dass es tatsächlich so kommt. Vielleicht sind Mittelmäßigkeit und fehlende Leistungsbereitschaft/Erfolgshunger das Merkmal, mit dem wir uns abfinden müssen – auch wenn ich das eigentlich nicht will. Aber solange man nicht den Eindruck hat, dass das anders wird, kann die logische Schlussfolgerung nur sein: Macht doch, was ihr wollt. Denn Hoffnung als Qual, wie Nietzsche es formuliert, tut nur weh. Vielleicht ist es in Bezug auf den VfL Wolfsburg aber auch eher so wie es Martin Luther King gesagt hat: „Wir müssen endliche Enttäuschungen akzeptieren, aber niemals die unendliche Hoffnung verlieren.“ In der Hoffnung, dass das für alle die Maßgabe ist und eigentlich der Wille vorhanden ist, das auch zu untermauern – dann zeigt es auch und: Macht doch, was ihr wollt!
In diesem Sinn: Bleibt geschmeidig!